Mein letzter Beitrag vor den Sommerferien. In der Hitze des Juni 2021 denke ich an den 1975 verschollenen Künstler Bas Jan Ader (geb. 1942), der auszog, das Wundern zu lernen. Ob er das Wunderbare gefunden hat, wird man nie erfahren. Am 9. Juli 1975 sticht der erfahrene Segler bei Cape Cod, unweit der Stelle, an der einst die „Mayflower“ landete, in See. Ader gilt seither als verschollen; einzig das Wrack seiner Jolle wird neun Monate nach seiner Abreise nahe der irischen Küste geborgen. Auratisch wie die Überreste eines gekenterten Schiffes sind auch die Bruchstücke des schmalen Werks, das er hinterlässt, als er sich im Alter von dreiunddreißig Jahren aus der Welt verabschiedet. Ader übte sich, wie mir im Rückblick scheint, als exemplarisch Fallender. Das Plakat anlässlich seiner ersten Ausstellung, zu der er 1967 unter dem Titrel „Implosion“ einlud, zeigt ihn auf dem Dach seines Hauses in Claremont sitzend, einen Korbstuhl scheinbar mühelos auf dem schmalen First balancierend und eine Zigarre kokett zwischen den Fingern haltend. Als qualmten Hirn und Tabak um die Wette, steigen zwei weiße Papierwolken auf, wovon eine den Kopf des Künstlers wie ein Heiligenschein hinterfängt. Mit wenigen Handgriffen dichtet Ader dem Künstler so eine Existenz von Schall und Rauch an und verwandelt obendrein das traute Heim in einen fiktiven Ort, dem die Künstlichkeit eines Filmstudios anhaftet. Bas Jan Ader hat alles vermieden, was das Leben fixieren könnte, um stattdessen seinen Körper sprechen zu lassen. Ihm ist das beeindruckende Kunstwerk gelungen, „durch vieljährige Anstrengung, Arbeit und Uneigennützigkeit nichts zu werden„, um eine Zeile aus Kierkegaards Abhandlung „Der Einzelne“ zu zitieren. Mit der Irritation, die aus dem Werk Bas Jan Aders entsteht, möchte ich mich in den Sommer verabschieden. Ich melde mich wieder am 07. September 2021.
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Lieber Heinrich,
vielen Dank für den schönen Text! Die Kraft liegt eben in dem Nichts:-) Ich freue mich jedenfalls auf die neuen Spaziergänge mit Dir ab September.
Habt einen schönen Sommer!
Xu Rong